Jahresrückblick 2023

22. Dezember 2023
Aktualisiert am 14. Februar 2024

Das war das Jahr 2023 aus Grundstücksperspektive

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und es ist wieder an der Zeit, einen kritischen Blick auf die Bilanz der Ampel-Regierung aus Perspektive des Grundstücksmarktes zu werfen.

Unter der Leitung von Klara Geywitz und ihrem Bauministerium versucht die Bundesregierung, das zentrale Problem der Wohnungsnot in Deutschland anzugehen. Dass dieses ein verheerendes ist, zeigen die immensen Mietsteigerungen, die in diesem Jahr zu verzeichnen waren. So kommt es, dass sich zuletzt sogar der Kanzler persönlich zum Thema äußerte und ein Umdenken forderte (hierzu mehr siehe unten).

Die Frage des Wohnens bleibt also auch weiterhin die soziale Herausforderung unserer Zeit, wie die Politik es immer wieder betont. Aus diesem Grund kündigte die Ampel-Regierung einen „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“ an, in dem das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestaltet werden sollte.

Doch, wie wir wissen, haben wir in Deutschland oftmals kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Wie steht es also um den angekündigten Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werden wir, wie im wie im letzten Jahr die einzelnen Punkte im Koalitionsvertrag, die sich auf den Grundstücksmarkt beziehen, durchgehen und eine Bilanz ziehen.

Jahresrückblick in Kürze

Wie steht es um den angekündigten „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“, den die Ampel-Regierung ankündigte, um bezahlbaren, klimaneutralen, nachhaltigen und innovativen Wohnraum zu schaffen?

  1. Neubau: Das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wurde mit Abstand nicht erreicht. Stornierungen von Bauprojekten, erloschene Baugenehmigungen und Insolvenzen im Baubereich zeigen die Krise. Experten prognostizieren, dass das Neubauziel auch im kommenden Jahr unerreichbar ist, während der Bedarf an Wohnraum weiter steigt.
  2. Reduzierung der Siedlungs- und Verkehrsfläche: Das Ziel, den Flächenverbrauch bis 2030 auf maximal 30 Hektar pro Tag zu begrenzen, steht im Konflikt mit dem angestrebten Neubau. Aktuelle Zahlen zeigen zum zweiten Jahr in Folge einen Anstieg des Flächenverbrauchs. Eine Studie des Thünen-Instituts prognostiziert darüber hinaus einen Verlust von über 300.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche bis 2030. Die Einrichtung eines Bodenmonitoringzentrums, das den Zustand der Böden erfassen soll, befindet sich in Vorbereitung.
  3. Rechtliche Mittel für eine effizientere Flächennutzung: Die Novellierung des Baugesetzbuchs, insbesondere die Stärkung des Baugebots und die Wiedereinführung des kommunalen Vorkaufsrechts, wurden bisher nicht umgesetzt. Die Bundesbauministerin betont jedoch die Bedeutung und Notwendigkeit dieser Instrumente, um Baulandmobilisierung voranzutreiben.

Zusätzlich gibt es noch andere, wenige festgeschriebene Ziele im Koalitionsvertrag, darunter die Grunderwerbsteuer, der echte Sachkundenachweis für Makler und die Grundbuchdigitalisierung. Während es in puncto Sachkundenachweis und Grunderwerbsteuer noch keine nennenswerten Entwicklungen gibt, ist das Thema Grundbuchdigitalisierung durch die Übertragung von Grundbuchdaten ins Transparenzregister abgeschlossen. Abgesehen davon könnte die Grundsteuerreform in 11 Bundesländern verfassungswidrig sein und steht damit auf der Kippe.

Die Herausforderungen bleiben immens: Die Bauwirtschaft befindet sich in einer Krise, der Flächenverbrauch steigt, und die angestrebten Ziele der Regierung erfordern dringendere Maßnahmen zur Realisierung.

Fehlendes Bauland als Hauptgrund für das Verfehlen der Neubauziele?

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die geringen Neubauzahlen weniger in den gestiegenen Zinsen als vielmehr im Mangel an verfügbarem Bauland begründet. Mit seinem Appell für ein „Umdenken“ in der Baupolitik sorgte er im November für großes Aufsehen. Bei einer Veranstaltung der „Heilbronner Stimme“ äußerte er die Auffassung, dass wahrscheinlich für ganz Deutschland etwa 20 neue Stadtteile in den besonders nachgefragten Städten und Regionen benötigt würden, ähnlich wie in den Siebzigerjahren. Das Bauen auf der „grünen Wiese“ sei in den vergangenen Jahren zwar nicht gewollt gewesen, erachtet er jedoch als notwendig.

Mit der Verfolgung der Baupolitik der Siebzigerjahre müsste sich die Bundesregierung allerdings auch direkt von ihrem zweiten Ziel verabschieden: Der Reduzierung des Flächenverbrauchs.

Was sagt die Bundesbauministerin, Klara Geywitz, dazu?

Aufgrund des bisherigen Bodenverbrauchs und der ernstzunehmenden Konsequenzen ist die Nach- und Innenverdichtung, statt der ständigen Ausweisung neuer Flächen, eines der grundlegenden Prinzipien moderner internationaler Städteplanung. Diesem Prinzip möchten auch die Bauministerin und die Landesregierungen folgen.

Projektentwickler und Bauträger beklagen jedoch, dass komplizierte Auflagen die Nachverdichtung, beispielsweise durch Aufstockungen, erheblich verteuern und nahezu unmöglich machen. Zudem handele es sich dabei um „theoretisches“ Potential, das zur kurzfristigen Schaffung des notwendigen Wohnraums nicht nutzbar sei. Auch Experten, wie Lamia Messari-Becker, Professorin der Gebäudetechnologie und Bauphysik, weisen stets darauf hin, dass es nicht nur einer Bauordnung, sondern dringend einer „Umbauordnung“ bedarf, um Innenentwicklung und Nachverdichtung einfach umsetzbar zu machen.

Diesem Problem wurde mit den ersten Schritten, die beim Bund- und Ländertreffen am 6. November unternommen wurden, nun begegnet. Dort wurden erste Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung solcher Vorhaben beschlossen. Erste positive Entwicklungen zeigen sich bereits, beispielsweise in Niedersachsen, wo im Dezember erste Beschlüsse auf dem Weg zu einer Umbauordnung gefasst wurden.

Im Rahmen dessen bekannte sich Klara Geywitz auch noch einmal erneut zu einem bewussten Umgang mit Boden. Sie betonte, dass bezahlbarer Wohnraum nur dort entstehen sollte, wo er besonders dringend gebraucht wird. Dies sei vor allem in Städten der Fall, dort, wo die Baufläche knapp ist und immer teurer wird. Daher sollten brachliegende Flächen zügig genutzt und Baulücken geschlossen werden.

Aus diesem Grund ist geplant, ungenutzte Flächen zügig zu „aktivieren“ und vorhandene Baulücken zu schließen. Nach ihrer Auffassung kann die Erhöhung des verfügbaren Wohnraums und die dringend benötigte Entlastung auf dem Wohnungsmarkt, vor allem im bezahlbaren Segment, nur durch eine verstärkte Mobilisierung von Bauland realisiert werden.

Im Koalitionsvertrag wurden bereits einige Maßnahmen für eine effizientere Flächennutzung aufgenommen:

Helmut Dedy
– Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags

fordert im Interview mit der Welt am Sonntag am 11.12.2023 mehr Bodenpolitik

„Boden ist inzwischen eine der knappsten Ressourcen in den Städten und im Wert enorm gestiegen. Das sorgt dafür, dass Bauland immer häufiger als Spekulationsobjekt genutzt wird.

Wir können es uns aber nicht leisten, dass wertvolle Flächen jahrelang brach liegen und nicht für Bauprojekte genutzt werden. Deswegen sollten die Städte künftig das Baugebot leichter anwenden können. Am besten ist immer noch, wenn es gelingt, Bauland im Schulterschluss von Städten, Grundstückseigentümern und Projektträgern zu entwickeln.

Wenn das aber nicht gelingt, müssen die Städte handeln können. Dafür muss das Baugebot bei der anstehenden Novelle des Baugesetzbuches konsequent vereinfacht und praxisgerecht ausgestaltet werden. Dann könnten für Entwicklungen im Innenbereich der Städte auch kleinere, im Stadtgebiet verteilte Bauflächen leichter aktiviert werden.“

Auf die „umfassende“ Novellierung des Baugesetzbuches, die eine Stärkung des Baugebots beinhalten könnte, hatten Branchenvertreter noch in diesem Jahr gehofft. Allerdings wurde sie bislang, abgesehen von kleineren Schritten wie Regelungen zur Beschleunigung und Erleichterung von Genehmigungsverfahren, noch nicht umgesetzt.

  • Kommunales Vorkaufsrecht

Bereits im letzten Jahresrückblick haben wir darüber berichtet, dass das kommunale Vorkaufsrecht in Gebieten mit Erhaltungssatzung nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2021 wieder zu stärken, nachdem es die Praxis vieler Städte weitgehend gekippt hatte. Das Vorkaufsrecht können Kommunen seitdem nur noch dann ausüben, wenn eine Immobilie weitgehend leer steht oder verfällt und nicht, wenn es von einem Investor gekauft wird und „nur“ Grund zur Annahme besteht, dass er die Mieter verdrängt wird und starke Mietsteigerungen zu erwarten sind.

Beim kommunalen Vorkaufsrecht geht es darum, dass Immobilienfirmen Grundstückstücke in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten nicht erwerben können, wenn sie diese aufwerten und dadurch signifikant teurer zu vermieten oder in Luxus-Eigentumswohnungen umzuwandeln und teuer zu verkaufen – und damit Mieter zu verdrängen. Gemeinden können in entsprechende Gebieten deshalb als Milieuschutzgebiet auszeichnen und eine sogenannten Erhaltungssatzung auferlegen. Das nennt man kurz also einen Milieuschutz für ein Stadtviertel, und dient als wichtige Maßnahme um Verdrängungsprozesse zu vermeiden, Mieter zu schützen und gegen Bodenspekulation vorzugehen

Da der Kauf von Mietshäuser durch Investoren und nachfolgende Luxussanierungen laut vielen Gemeinden ein ernstzunehmendes Problem ist, wird das Instrument als äußerst wichtig erachtet, um Grundstücke aus dem spekulativen Wohnungsmarkt zu holen bzw. gegen Bodenspekulanten vorzugehen. Doch nach dem Gerichtsurteil ist dringend eine Anpassung im Baugesetzbuch notwendig, um die Grundlage wiederherzustellen und das Instrument wieder effektiv nutzen zu können.

Klara Geywitz bekräftigte in mehreren Interviews in diesem Jahr auch nochmal, dass das kommunale Vorkaufsrecht dringend wieder gestärkt werden müsse. Beispielsweise sagt Sie der Rhein-Neckar-Zeitung im September:

Klara Geywitz
– Bundesbauministerin

fordert im September im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung die Stärkung bzw. Wiedereinführung des kommunalen Vorkaufsrechts, Quelle

„Die vielen Kommunen, die jetzt wissen, dass es notwendig ist, der Bevölkerung preiswerte Wohnungen zur Verfügung zu stellen, müssen auch leichter an die Grundstücke kommen und bestehende Mietstrukturen schützen können.“

In diesem Punkt ging es, wir wir im letzten Jahr berichteten, im Bundesbauministerium energisch los. Das Ministerium legte bereits im April 2022 einen ersten Referentenentwurf zur notwendigen Änderung vor und gab es zur Abstimmung an die Ressorts weiter. Auch der Bundesrat hatte sich mit einer Entschließung vom 8.4.2022 an die Bundesregierung gerichtet, das Baugesetz schnellstmöglich zu ändern und das kommunale Vorkaufsrecht zum Milieuschutz zu stärken. Doch die FDP lehnte einen Gesetztesentwurf von Bauministerin Geywitz zum kommunalen Vorkaufsrecht im Mai 2022 direkt ab.

Eine Änderung ist auch zum Ende dieses Jahres nicht in Sicht, denn eine eine Verschärfung des Vorkaufsrechts sieht die FDP, wie sie in einem Interview mit der Süddeutscher Zeitung bekannt gab, „nach wie vor nicht für geboten“. Zudem verweist sie darauf, dass im Koalitionsvertrag lediglich festgeschrieben wurde, dass es zu prüfen gilt, ob rechtliche Anpassungen notwendig seien.

In Kombination mit der längst überfälligen Regelung für Mieterhöhungen, die von Justizminister Marco Buschmann erwartet wird, schlussfolgerte die Süddeutsche Zeitung: „Für ein Regierungsbündnis, das angetreten ist, Wohnen wieder bezahlbar zu machen, ist das eine miserable Bilanz“.

Auch hier drängt der Deutsche Städtetag zur Eile und unterstrich den Wunsch nach Reformen erneut im Sommer:

Markus Lewe (CDU)
– Präsident des Deutschen Städtetags

fordert im Mai die Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts, Quelle

„Wenn wir bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen, dann muss es auch erlaubt sein, dass wir Kommunen ein Vorkaufsrecht bekommen“, mit dem Grundstücke aus dem spekulativen Wohnmarkt geholt werden könnten.

Die Gesetzgebung zum Bau-und Bodenrecht sei immer wieder Anlass zum Streit – „vielleicht, weil das Bewusstsein, dass Bodeneigentum in unserem Land nicht nur garantiert ist, sondern auch verpflichtet“, leider im Laufe der Zeit verloren gegangen sei.

Zum Hintergrund und Informationen zur Frage, warum das kommunale Vorkaufsrecht seine praktische Umsetzungskraft verloren hat und rechtlich angepasst werden müsste, erfahren Sie im Jahresrückblick 2022 mehr

  • Entfristung Baulandmobiliserungsgesetz

Zur Erinnerung: Um baureife Flächen besser „mobilisieren“ zu können, sollen außerdem auch die geltenden Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz rechtssicher und praxistauglicher ausgestaltet werden, sodass Verantwortliche besser Gebrauch davon machen können. Sie sollen deshalb unter der Ampel-Regierung entfristet werden, mit dem Ziel der Gemeinwohlorientierung und dem Klimaschutz stärker nachgehen zu können. Dabei solle jedoch die Situation der Grundstückseigentümer und die Bedürfnisse der Allgemeinheit berücksichtigt werden.

Auch in diesem Vorhaben gibt es noch keine Änderungen.

Mehr zu relevanten Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz können Sie hier nachlesen

3. Außerdem relevant für Grundstückseigenütmer

Darüber hinaus gibt es einige weitere, wenn auch wenige, festgeschriebene Ziele im Koalitionsvertrag, die Grundstückseigentümer betreffen.

Wohneigentumsquote in Deutschland

Der Anteil der Wohneigentumsquote ist laut dem Statistikamt Eurostat im vergangenen Jahr von 49% auf 47% weiter gesunken. Deutschland belegt damit den letzten Platz in Europa. In keinem anderen Land gibt es weniger Menschen, die im Eigentum wohnen, als in Deutschland.

Wohneigentumsquote Deutschland im europäischen Vergleich

Steuereinnahmen Grunderwerbsteuer in Deutschland

Bis 2006 legte der Bund die Höhe der Grunderwerbsteuer in Deutschland fest. Damals betrug der Steuersatz 3,5% bezogen auf den Immobilienkaufpreis.

Seither haben alle Länder, außer Bayern, den Steuersatz mehrfach erhöht; in manchen Ländern sogar fast verdoppelt. Zuletzt haben Hamburg und Sachen die Grunderwerbsteuer zum 01.01.2023 aufgrund coronabedingt gestiegener Haushaltkosten auf 5,5% angehoben.

Mit der stetigen Erhöhung partizipieren die Länder kräftig an den langfristig steigenden Immobilienpreisen und der hohen Nachfrage nach Immobilien und Grundstücken.

Entwicklung des Grundsteueraufkommens bis 2021 in Deutschland

Zur Gegenfinanzierung der Steuererleichterung bei der Grunderwerbsteuer sollte die Abschaffung von Share-Deals umgesetzt werden. Bisher ist jedoch keine Gesetzesänderung in Sicht.

Zu den Hintergründen, dem Urteil und der geplanten Änderungen und erfahren Sie im Ratgeberbeitrag „Grundersteuerreform“ alles

Bündnis bezahlbarer Wohnraum

sieht eine „langfristig angelegte, aktivierende und nachhaltige Bodenpolitik“ als zentrale Grundlage, um den Herausforderungen im Immobilienmarkts zu begegnen

Quelle

Boden ist ein besonderes, knappes Gut und nicht vermehrbar. An den Umgang mit Grund und Boden sind daher besondere Anforderungen zu stellen. Eine langfristig angelegte, aktivierende und nachhaltige Bodenpolitik ist elementar, um die Steigerung des verfügbaren Wohnraums insbesondere im bezahlbaren Segment und damit die dringend benötigten Entlastungen auf den deutschen Wohnungsmärkten zu erreichen. Die Entwicklung der Bodenpreise hat maßgeblichen Einfluss auf die Bezahlbarkeit des Wohnens in den Städten und Gemeinden.

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