Der große Jahresrückblick 2022 – Die Bodenpolitik der Ampel

31. Dezember 2022
Aktualisiert am 30. November 2023

Zwischenbilanz der Ampel zur Bodenpolitik

Zum Jahresende fragen wir uns, wie die Zwischenbilanz des „politischen Zweckbündnisses“, wie es die FAZ vor Kurzem nannte, nach etwas mehr als 12 Monaten aus der Perspektive des Grundstücksmarktes aussieht.

Fakt ist, dass sich jede Bundesregierung am Grundproblem der Wohnungsnot versucht. Eine spürbare Veränderung für Wohnungssuchende hat sich dennoch bisher nicht gezeigt. Ganz im Gegenteil: Betroffene haben den Eindruck, dass es Jahr für Jahr schwieriger wird eine bezahlbare Wohnung oder gar ein bezahlbares Grundstück mit Platz für die ganze Familie zu finden. Viele Politiker betonen deshalb, dass das Thema Wohnen  die  soziale Frage unserer Zeit ist.

Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde deshalb festgeschrieben, dass die neue Regierung einen „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“ starten will. Dabei soll „das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen“ gestaltet werden.

Um diesen Aufbruch anzustoßen und zu leiten wurde im ersten Schritt nach 23 Jahren das Bauministerium auf Bundesebene wieder eingeführt. Das Ressort wird von Klara Geywitz (SPD) geleitet.

Wie also will die Ampel-Regierung das Megaproblem Wohnen konkret anpacken? Welche Ziele hat sie sich dabei in Bezug auf den Bodenmarkt gesteckt? Welche Maßnahmen wurden vom Bauministerium diesbezüglich bereits konkret ergriffen? Und was können Grundstückseigentümer in dieser Legislaturperiode von Klara Geywitz noch erwarten?

Woran scheitert das Neubauvorhaben also Jahr für Jahr?

Als Hauptgrund wurde in den letzten Jahren stets der Mangel an bezahlbaren und schnell bebaubaren Flächen, sprich Grundstücken, genannt. Aus diesem Grund startete das Bauministerium unter Geywitz bereits im März eine bundesweite Baulandumfrage, um genau dieser Frage nachzugehen: Gibt es tatsächlich zu wenig Grundstücke in diesem Land?

Das Ergebnis lautete kurz: Es gibt genügend Flächen – auch in Ballungszentren. Laut Studie sind mindestens 99.000 baureife, potentiell bebaubare Flächen vorhanden, die Platz für zwischen zwei bis vier Millionen Menschen bieten können. Die Hälfte dieses Flächenpotentials sei dabei kurzfristig nutzbar. Mit dem Argument der Grundstücksknappheit will Geywitz somit aufräumen.

Wenn es allerdings doch tatsächlich immer genügend Flächen gab, stellt sich die Frage, wo stattdessen das Problem lag. War tatsächlich nie etwas dran am „Mythos des Flächenmangels“?

Um wiederum diese Frage zu beantworten, wurde im April das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ durch die Bauministerin ins Leben gerufen. Dieses setzt sich aus Vertretern des Bundes, der Länder, kommunalen Spitzenverbänden, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Kirchen zusammen. Ziel ist es, die extremen Herausforderungen im Bau- und Immobilienmarkt zu erörtern und Maßnahmen zu entwickeln, um diesen zu begegnen und das Ziel der 400.000 Wohnungen erreichen zu können.

Am 12. Oktober 2022 wurde von dem Bündnis ein 65-seitiger Maßnahmenkatalog für eine Bau-, Investitions-, und Innovationsoffensive in Deutschland veröffentlicht, den Sie hier abrufen können

In Bezug auf Grundstücke zogen die Vertreter folgendes Fazit: „Die Baulandumfrage 2022 des BBSR zeigt, dass in den Kommunen theoretisch ausreichend Flächenpotentiale zur Deckung des Neubaubedarfs vorhanden sind“. Diese Flächen müssen allerdings auch praktisch genutzt werden können.

Prof. Dr. Eckart Würzner, erster Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Heidelberg, kommentierte weiter: „ [..] geeignete Flächen müssen kurzfristig mobilisiert und das Baurecht insgesamt entrümpelt werden. Städte müssen in die Lage versetzt werden, Grundstücke vergünstigt kaufen und gemeinwohlorientiert entwickeln zu können. Sofort nutzbare Bauflächen dürfen nicht aus Spekulationszwecken liegengelassen werden.“

Um die vorhandenen Flächen nutzen zu können sollen deshalb einerseits Hemmnisse beseitigt, und andererseits wirksame rechtliche Instrumente für deren Mobilisierung geschaffen werden (mehr hierzu siehe unten).

Doch auch wenn die gesamten notwendigen Flächen morgen zur Bebauung zur Verfügung stehen würden, scheint die 400.000 Marke momentan geradezu unerreichbar, denn der Angriffskrieg Russland‘s auf die Ukraine am 24. Februar hat auch die Baubranche hart getroffen. Zu der anhaltenden Material- und Fachkräfteknappheit und dem weiteren Anstieg der Baukosten, der mittlerweile im zweistelligen Prozentbereich liegt, kommen nun obendrein enorme Energiepreise und substantiell höhere Finanzierungskosten hinzu.

Zudem erhöhen die gesteigerten Anforderungen an Gebäudestandards, die aufgrund eines Förderchaoses durch den Bund zu großen Teilen aktuell nicht gedeckt werden, die Kosten signifikant.

Der Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) bilanziert im November: „Projektentwickler und Bauträger beginnen keine neuen Projekte, weil es unbezahlbar geworden ist für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch komplett unwirtschaftlich für die Unternehmen.“

Der Wohnungsbau droht laut einigen Experten deshalb im nächsten Jahr zum Erliegen zu kommen. Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen sinkt seit sechs Monaten und eine Vielzahl von Projekten wird verschoben oder gar stornieret. Im August kam es zu circa 200 Insolvenzen im Baugewerbe. Aus diesem Grund rechnet Axel Gedaschko, der Präsident des Gesamtverbands der deutschen Wohnungswirtschaft, im Jahr 2022 mit circa 250.000, 2023 mit 200.000  und 2024 mit einer noch geringeren Anzahl an Neubauwohnungen.

Die Bauministerin sagt deshalb bereits in einem Interview im April, dass vorhandene Flächen effizienter genutzt werden müssen, um den Flächenverbrauch zu senken und den Umweltschutz voranzutreiben“.

Dieses Ziel soll laut Koalitionsvertrag erreicht werden, indem Anreize gesetzt, Fehlanreize vermieden und wirksame Initiativen geschaffen werden. Konkret untermauert wird dies allerdings nicht weiter. Es heißt lediglich, dass ein Bodenmonitoringzentrum eingerichtet werden soll.

Bei einem Bodenmonitoring wird der Zustand der Böden langfristig dokumentiert, um Veränderungen der Funktionsfähigkeit frühzeitig zu erkennen. Jede Baumaßnahme betrifft unmittelbar den Boden. Je nach Intensität der baulichen Veränderungen verliert der Boden laut Umweltbundesamt dabei teilweise oder sogar ganz seine wertvollen Funktionen

Diesbezüglich gibt allerdings der Maßnahmenkatalog des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ Aufschluss darüber, wie das Ziel der Flächenreduzierung erreicht werden und in den Einklang des Neubauziels gebracht werden soll. Hierfür sollen nämlich bereits vorhandenen und versiegelten Flächen stärker genutzt werden. Um die Wohnungsneubauziele zu erreichen, und dabei Klima- und Ressourcenschutz zu betreiben, ist konkret die „vorrangige Nutzung von Potentialen in der Innenentwicklung, der Nachverdichtung, Aufstockung, Sanierung, Umnutzung und der Reaktivierung von Leerständen“ ein zentrales Vorhaben.

Geywitz betonte: „Um Versiegelung und Flächenfraß zu vermeiden, ist die Innenentwicklung und das kluge Nutzen von Brachflächen und Baulücken wichtig. Land zum Bauen ist da. Jetzt kommt es auf den gemeinsamen Willen an […]“.

Mehr Details zu diesem Konzept finden Sie in unserem Ratgeberbeitrag zum Thema Erbbaurecht

Das Deutsche Institut für Urbanistik unterstreicht die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Bodenpolitik, „denn Grund und Boden sind knapp und teuer. […] Kommunale Bodenpolitik neu zu justieren, ist derzeit eine große Herausforderung der Stadtentwicklung. Angesichts der drängenden Fragen der Baulandentwicklung, der Aktivierung von Brachflächen und Baulücken, der rekordträchtigen Entwicklungen bei Immobilienpreisen und Mieten mit den zunehmend spürbaren Folgen für die Sozialstruktur in den Städten und die Stadtentwicklung ganz allgemein ist der Handlungsbedarf kaum mehr zu übersehen.“

Eine Übersicht über die Höhe der Grunderwerbsteuer in den verschiedenen Bundesländern erhalten Sie hier

Die Mindereinnahmen sollen übrigens durch die Abschaffung von sogenannten Share Deals ausgeglichen werden. Bei Share Deals handelt es sich um steuerliche Schlupflöcher, wobei eine Immobilie oder ein Grundstück in Form einer Gesellschaft verkauft und damit die Grunderwerbsteuer zu großen Teilen umgangen wird.

  • Der Sachkundenachweis für Makler

Zweitens soll der „echte Sachkundennachweis“ in dieser Legislaturperiode eingeführt werden, nachdem die vorige Regierung diesen 2017 für eine einfache Weiterbildungspflicht für Makler eintauschte.

Dieser Nachweis verfolgt das Ziel qualitätssichernde Zulassungsregelungen schaffen, die Einstiegsbarrieren für Makler damit zu erhöhen und gleichzeitig einen Branchenstandard zu etablieren.

Letztlich soll es Eigentümern dadurch ermöglicht werden qualifizierte Makler, die erfahren und langjährig erfolgreich am Markt tätig sind, von unqualifizierten Maklern unterscheiden zu können. Denn nach wie vor ist die Berufsbezeichnung „Makler“ nicht geschützt und bietet deshalb keinerlei Qualitätssicherung. Die Ausbildung zum Makler kann in Form eines zweiwöchigen Kurses absolviert werden, zu dem Teilnehmer zu 80% anwesend sein müssen und den sie mit einem schriftlichen Multiple Choice Tests abschließen.

  • Grundbuchdigitalisierung

Zuletzt soll zudem eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werden, die prüfen soll, ob ein Grundbuch auf der Blockchain möglich und vorteilhaft ist. Auf diese Weise könnte das Grundbuch eventuell vollständig digitalisiert und Prozesse beschleunigt werden.

Dies ist der Kompromiss zum öffentlich einsehbaren Immobilieneigentümer-Register, das zuvor von der SPD und den Grünen gefordert wurden.

Auch der Maßnahmenkatalog des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum sieht in der Verbesserung der Markttransparenz einen bedeutenden Aspekt, um die Ziele im Bauministerium zu erreichen.

Disclaimer

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