Das Erbbaurecht ist in der Politik ein immer wieder aufkommendes Thema. Denn das grundlegende Problem der Wohnungsnot in Deutschland ist neben anderen Faktoren maßgeblich der Mangel an Bauland. Durch ein höheres Angebot an Grundstücken sollte sich der Wohnungsmarkt entspannen. Allerdings stehen uns nicht unendlich viele Flächen zur Verfügung und der Verbrauch von 52 Hektar Natur für Siedlungs- und Verkehrsflächen pro Tag kann nicht ewig fortgesetzt werden. Es müssen also zusätzlich andere Wege gefunden werden, die vor allem bereits bestehende Flächen berücksichtigen. Neben der Möglichkeit der Nachverdichtung rückt deshalb auch das Erbbaurecht stärker in den Fokus.
Bei einem Erbbaurecht erteilt der sog. Erbbaurechtsgeber (Grundstückseigentümer) dem Erbbaurechtsnehmer (Grundstücksnutzer) das Recht, auf seinem Grundstück ein Gebäude zu besitzen. Im Erbbaurecht wird die Immobilie also grundsätzlich vom Grundstück getrennt. Der Eigentümer des Grundstücks und der Eigentümer der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude sind also verschiedene Personen.
Für die Erlaubnis das fremde Grundstück zu nutzen, zahlt der Erbbaurechtsnehmer eine Pacht, den sog. Erbbauzins. Dieser wird, wie weitere vertragliche Regelungen, in einem Erbbaurechtsvertrag festgehalten. Die Vertragslaufzeit ist gesetzlich nicht festgelegt, wird in der Praxis aber meist über 70, 80 oder 99 Jahre geschlossen. Mit einer langen Vertragslaufzeit über mehrere Jahrzehnte möchte man den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie abdecken, sodass sich der Erbbaurechtsnehmer sicher sein kann, dass er die Immobilie langfristig nutzen darf.
Bei Auslauf kann der Vertrag entweder verlängert, erneuert oder beendet werden. Im Falle einer Beendigung muss der Erbbaurechtsgeber dem Erbbaurechtsnehmer eine Entschädigung für seine auf dem Grundstück liegenden Gebäude zahlen.
Das Erbbaurecht ist außerdem ein „grundstücksgleiches Recht“, das vom Erbbaurechtsnehmer wie ein Grundstück veräußert, beliehen, vererbt oder gar verschenkt werden kann. Es kann also zum Beispiel auch belastet werden.
Der deutsche Erbbaurechtsverband hat zur Erklärung des Erbbaurechts ein nützliches Kurzvideo zur erstellt, welches Sie hier finden:
Mit einem Erbbaurecht zahlt der Erbbaurechtsnehmer also nur eine Pacht für die Nutzung des Grundstücks und kann sich damit die hohen Kosten für den Erwerb eines eigenen Baugrundstücks sparen. Da Baugrundstücke immer teurer werden, hat dies einen besonders hohen Nutzen für Grundstückssuchende. Auf der anderen Seite bleibt das Grundstück im Besitz des Erbbaurechtgebers. Er kann weiterhin von einer möglichen Wertsteigerung des Grundstücks nach Ablauf des Erbbaurechtsvertrags profitieren und erhält zudem jährliche Pachtzahlungen. Da baureife Grundstücke auf diese Weise nicht ungenutzt bleiben, ist das Erbbaurecht auch in Bezug auf die Umwelt eine nachhaltige und schnelle Lösung, um Wohnraum zu schaffen.
Da viele Grundstückseigentümer ihr Grundstück generell nicht verkaufen wollen, es jedoch baureif ist, könnte das Erbbaurecht also tatsächlich eine Chance sein, um dem Markt mehr Grundstücke zuzuführen und der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Vor allem spekulative Grundstückskäufe können so verhindert und damit gleichzeitig der exorbitanten Entwicklung der Bodenpreise entgegengewirkt werden. Denn spekulative Grundstückskäufe werden von Investoren getätigt, die ein Grundstück lediglich kaufen, um es „liegen zu lassen“ und nach einigen Jahren zu signifikant höheren Preisen weiterzuverkaufen. Dies kurbelt die Bodenpreissteigerung in Deutschland maßgeblich an.
Bisher machen jedoch hauptsächlich Kirchen, Stiftungen oder Vereine Gebrauch vom Erbbaurecht.
Schätzungsweise werden in Deutschland bisher nur circa 5% der Grundstücke über Erbbaurechte vergeben
Hier existiert also ein großes Ausbaupotential. Deutlich wird dies vor allem auch im direkten Vergleich zu anderen Ländern und Städten: Während das Erbbaurecht in Großbritannien für 15-18%, in Amsterdam für 60% und in Singapur für 80% der Grundstücke genutzt wird, werden Grundstücke in Hongkong sogar ausschließlich über Erbbaurechte vergeben.
Viele deutsche Großstädte aber auch kleinere Gemeinden planen das Konzept aufgrund der aktuellen Marktsituation verstärkt einzusetzen. Auf politischer Ebene wollen vor allem die SPD und das Bündnis 90/Die Grünen das Erbbaurecht entschieden vorantreiben. Sie erhoffen sich damit den spekulativen Grundstückshandel einzudämmen, den Wohnungsbau anzukurbeln und zudem einen langfristigen Einfluss auf die Stadtentwicklung zu behalten.
Damit geht man zurück zum historischen Grundgedanken des Erbbaurechts, das nach dem 1. Weltkrieg 1919 verabschiedet wurde: Ermöglichung von Wohneigentum für Einkommensschwache sowie die Förderung des Baus.
Generell lehnen viele Immobilienentwickler Grundstücksangebote mit Erbbaurecht aufgrund fehlender Praxiserfahrung nach wie vor vehement ab. Deshalb ist es für Grundstückseigentümer oft schwierig, einen passenden Käufer bzw. Interessenten zu finden, der sie zum Thema professionell aufklären und beraten kann. Allerdings steigt die Zahl der Entwickler, die die Chance auf eine Ausweitung des Grundstücksangebots erkennen und sich dem Thema öffnen. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile Firmen, die sich mit dem Thema Erbbaurecht intensiv beschäftigt haben und das Konzept mit Grundstückseigentümern erfolgreich umsetzen.
Sollte das Konzept des Erbbaurechts für Sie als Grundstückseigentümer interessant klingen, raten wir Ihnen also unbedingt einen Investor aufzusuchen, der Grundstücke über Erbbaurechte ankauft und hierbei bereits genügend Erfahrung und Expertise vorzuweisen hat. Denn es gibt im Zuge der vertraglichen Ausgestaltung sehr viele Dinge, die zu beachten sind: Laufzeit, Erbbauzins, Anpassungs- und Entschädigungsklauseln und weitere vertragliche Pflichten und Regelungen auf Seiten des Erbbaurechtnehmers und -gebers.
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