Kampf um Bauland – Ist Boden für alle da?

26. August 2022
Aktualisiert am 12. September 2023

Über die soziale Sprengkraft des Grundstücksmarkts in Deutschland

Die Dokumentation „Kampf um Bauland“ wurde bereits im Jahr 2020 veröffentlicht und dennoch ist sie so aktuell, wie nie zuvor. Das SWR geht der Frage nach, ob Boden für alle Menschen da ist und zeigt eindrücklich, wie weitreichend die Folgen der steigenden Bodenpreise in Deutschland sind.

Ob Grundstückseigentümer, Projektentwickler, Immobilienbesitzer oder Mieter – wir empfehlen Ihnen die Dokumentation wärmstens, denn dieses Thema geht tatsächlich jeden etwas an.

Ansehen können Sie die Dokumentation hier:

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Sollten Sie jedoch keine Zeit haben, möchten wir Sie über die wichtigsten Punkte unbedingt informieren. Nachfolgend haben wir Ihnen deshalb eine Zusammenfassung erstellt.

In der Dokumentation wurde die Entwicklung der Grundstückspreise beispielhaft an Großstädten veranschaulicht. Allerdings zeigt sich die Bodenpreisentwicklung auch im Allgemeinen. Mehr hierzu können Sie in unserem Ratgeberbeitrag zum Thema „Grundstücksmarkt“ lesen

Mehr zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Bodenpreise und dem Thema Land Grabbing in Deutschland finden Sie hier

  • Deutschland als eines der ungleichsten Länder Europas

Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Professor Dirk Löhr ist Experte für Bauland und sieht den Umgang mit Boden in Deutschland höchst problematisch, denn es führt unter anderem auch dazu, dass Deutschland eines der ungleichsten Länder Europas ist.

Deutschland liegt im sogenannten Gini-Index bei 0,76 (Stand Februar 2020) und gehört damit zu den ungleichsten Ländern in ganz Europa.

Die hohe Ungleichheit in Deutschland ist ein Thema, das jeden Bürger hierzulande betrifft. Doch was ist der Grund dafür?

Eine Schlüsselrolle spielt hierbei der Grund und Boden. Denn dieser wird in den allermeisten Fällen weitervererbt und so sind nachfolgende Generationen automatisch im Vor- oder eben im Nachteil. So führt das System aktuell dazu, dass einige wenige privilegiert sind und andere benachteiligt werden.

Auch mit Blick auf das „leistungslose Einkommen“ (siehe oben) entwickelt sich die Vermögensverteilung laut Löhr in Deutschland ganz nach dem Prinzip: „Wer hat, dem wird gegeben!“

Der Gini-Index

Um zu messen, wie ungleich Vermögen in einem Land verteilt ist, wird der sogenannte „Gini-Koeffizient“ herangezogen. Dieser Wert liegt zwischen 0 (vollkommene Gleichverteilung) und 1 (vollkommene Ungleichverteilung). Das bedeutet, dass bei einem Wert von 0 das gesamte Vermögen unter den Bürgern gleich verteilt ist. Je höher der Wert ist, desto größer ist die Vermögensungleichheit in einem Land. Das bedeutet, desto mehr gehört das Vermögen in einem Land nur wenigen Menschen.

Die Vermögensungleicheit hat sich im Zuge der Corona-Pandemie weiter verschärft. Laut DIW besitzen die reichsten zehn Prozent 83% des Gesamtvermögens in Deutschland

Zum Thema Grundstücksenteignung und dem Beispiel Tübingen haben wir bereits einen Beitrag veröffentlicht, den Sie hier lesen können

3. Sich an Vorbildern orientieren

Ein Beispiel, wie nachhaltige Bodenpolitik mit einer Langfristperspektive gelingen kann, ist die Stadt Ulm. Die Stadt ist für Bodenspekulation und damit auch für große Investoren vollkommen uninteressant. Denn als in Deutschland vor 20 Jahren die große Privatisierungswelle der Städte begann, wodurch städtische Grundstücke, Immobilien und Baugesellschaften verkauft wurden, blieb Ulm nach „schwäbischer Manier“ standhaft und hielt an Ihren Immobilien fest. Die Stadt entschied sich konsequent dafür, dass die städtische Wohnbaugesellschaft purer Sozialpolitik gleichkommen solle.

Aus diesem Grund entwickelte Ulm einen langfristigen Plan, der heute und höchstwahrscheinlich auch in Zukunft dafür sorgt, dass der Traum vom Eigenheim für die Einwohner Ulms finanziell möglich ist.

Einige der Prinzipien klingen durchaus drastisch. Laut dem Oberbürgermeister werden allerdings alle Punkte von Anfang an ganz klar kommuniziert. Jeder Bürger weiß, auf was er sich einlässt. Auf diese Weise entstehen keine Probleme. Zudem erkennen die Ulmer spätestens bei der eigenen Grundstückssuche den Mehrwert der Strategie.

Auch andere Städte, wie Tübingen, versuchen sich seit Jahren am Ulmer Modell zu orientieren. Das Problem dabei ist jedoch, dass den meisten Städten in Deutschland das Kapital fehlt, um Flächen, die sie vor Jahren oder Jahrzehnten verkauft haben, wieder zurück zu erwerben. An diesem Punkt wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Städte bei Ihrer Bodenpolitik eine Langfristperspektive einnehmen

4. Eine Langfristperspektive einnehmen: Die Chance des Erbbaurechts

Der angesehene SPD Politiker Hans Joachim Vogel kämpfte bis zu seinem Tod im Juli 2020 um eine gerechtere Bodenpolitik und verfasste in seinem 93. Lebensjahr noch einmal ein Buch mit dem Titel: „Mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar“.

Vogel war ein harter Verfechter einer deutschen Bodenreform und überzeugt davon, dass Bauland nicht in Privat- sondern in die öffentliche Hand gehört, sodass es nicht mehr den Marktregeln und dem Ziel der Gewinnmaximierung unterliegt. Stattdessen sollte es den Regeln des Allgemeinwohls unterliegen. Er begründet seine Haltung damit, dass eine Ware mit einem hohen Preis nach den Marktregeln normalerweise die Nachfrage verringert. Menschen verzichten auf diese Ware, da sie es sich nicht leisten können. Auf Wohnen kann ein Mensch jedoch nicht verzichten. Jeder Bürger braucht, einfach ausgedrückt, ein Dach über dem Kopf.

Er zeigte auch in der Praxis, wie öffentliche Bodenpolitik nachhaltig gelingen kann. Die Stadt München hat unter Hans Joachim Vogel in den 60-er Jahren eine Grundstücksfläche erworben, die sie heute 1,2 Milliarden Euro mehr kosten würde. Auf der Fläche entsteht für fast 30.000 Menschen Wohnraum. Die Bauplätze werden allerdings im Erbbaurecht vergeben. Damit ist die Stadt also weiterhin Eigentümer des Grundstücks ist. Die Spekulation mit Grund und Boden ist damit ausgeschlossen.

In Deutschland werden schätzungsweise lediglich 5% der Flächen über ein Erbbaurecht vergeben. Hauptsächlich wird es von Kirchen, Stiftungen oder der öffentliche Hand genutzt. Mehr zum Thema erfahren Sie hier: Das Erbbaurecht

Disclaimer

Es handelt sich bei allen Informationen und Empfehlungen in unserem Ratgeber maßgeblich um gewonnene Praxiserfahrungen. Diese wollen wir mit Ihnen teilen, um Ihnen hilfreiche Tipps zu geben und häufig gestellte Fragen bestmöglich zu beantworten. Für die Auskünfte können wir jedoch keine Gewähr auf Vollständig- und Richtigkeit übernehmen.